„Einer schwimmt im Geld“ - Kinder über arm und reich

Armut

Armutsrisiko Kindheit

Kinderarmut und Kinderschutz

Der Paritätische Gesamtverband stellte Anfang 2017 fest, dass die Armut in Deutschland bei allen Risikogruppen in einem Zehn-Jahres-Vergleich auf einem neuen Höchststand von 15,7 Prozent der Bevölkerung angestiegen ist (Der Paritätische Gesamtverband 2017). Und der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2017 spricht davon, dass bis zu 2,7 Millionen Kinder in Deutschland mit einem Armutsrisiko leben müssen, weil ihr privates Lebensumfeld über weniger als 60 Prozent des Nettoäquivalenzeinkommens verfügt (BMAS 2017, S. 252).

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In Deutschland zählen über 10 Millionen Menschen als „einkommensarm“ und leben damit am Rande der Gesellschaft. Wer mit weniger als 60% des durchschnittlichen Nettoeinkommens auskommen muss, gilt als armutsgefährdet. Das sind ca. 987,- Euro monatlich pro Person (Stand 2014). Einem durchschnittlichen Haushalt in Deutschland – oftmals mit mehreren Einkommensquellen – standen 2014 durchschnittlich 19.733  Euro jährlich Euro zur Verfügung, wobei es deutliche regionale und berufsbedingte Unterschiede gibt (Datenreport 2016).

Von Kinderarmut wird dann gesprochen, wenn außergewöhnliche Benachteiligungen und Unterversorgungen in zentralen Lebensbereichen vorliegen. Hierzu zählen vor allem die Wohnsituation, Bildungschancen, Freizeitmöglichkeiten sowie Gesundheit und Ernährung.

Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) fasst dies in seiner Erklärung „Kinderarmut in Deutschland“ auf seiner Webseite zusammen. zusammen

  • „Arme Kinder haben schlechtere Chancen auf einen guten Bildungsabschluss.
  • Arme Kinder sind stärker in ihrer körperlichen und gesundheitlichen Entwicklung eingeschränkt.
  • Arme Kinder haben schlechtere Wohnbedingungen.
  • Arme Kinder sind von der soziokulturellen Teilhabe weitgehend ausgeschlossen und weisen häufiger Defizite hinsichtlich ihres Spiel- und Arbeitsverhaltens, ihrer Sprachkompetenz und ihrer Einbindung in soziale Netzwerke auf.“

Am Beispiel der Armut kann die Dynamik und Wechselwirkung von äußerer Krise und Familienkonflikt nachvollziehbar aufgezeigt werden. Äußere Umstände wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Scheidung, Überschuldung (Privatinsolvenz) führen in einen Zustand der Einkommensarmut und Unterversorgung, der als belastender Extremzustand die Stabilität der Familie gefährdet.

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Was ist NOTwendig? Gegenstrategien!

Kinder in Familien, die von Sozialleistungen leben, müssen eine finanzielle Förderung erhalten, die ihre lebensnotwendigen Grundlagen sichert. Deshalb setzt sich der Deutsche Kinderschutzbund in einem Bündnis mit anderen für eine Kindergrundsicherung ein. Die Höhe soll dabei so bemessen sein, dass alle Grundbedürfnisse, auch die nach sozialer und kultureller Teilhabe, berücksichtigt werden. Im Jahr 2017 liegt der errechnete Betrag für die Grundsicherung bei 573 € während der tatsächliche Regelsatz zwischen 237 € (für Kinder unter 6 Jahren) und 311 € für Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) liegt. (http://www.hartziv.org). Kindertageseinrichtungen und Schulen mit einem hohen Anteil von armen Kindern sind besser auszustatten. Kindertageseinrichtungen in Stadtteilen mit hohen sozialen Belastungen benötigen mehr Erzieherinnen und Sozialpädagogen. Diese müssen auch so viele Zeitressourcen haben, dass sie nicht nur die Kinder besser fördern, sondern auch die Eltern unterstützen und beraten können.

Für alle Kinder in Schulen und Kindertageseinrichtungen sollte es grundsätzlich ein kostenfreies Mittagessen geben. In den Schulen ist für die Kinder eine tatsächliche Lernmittelfreiheit zu gewähren. Dazu gehören auch die zusätzlichen Materialien und Kopien für Arbeitsblätter ebenso wie die Finanzierung von Taschenrechnern und in den oberen Klassen der Computer. Familien- und Elternbildung ist für Eltern in armen Verhältnissen von besonderer Wichtigkeit. Hier kann es zur Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Familienbildungszentren kommen. Diese Angebote sind so auszurichten, dass sie von den Eltern gerne angenommen werden. Nicht zuletzt ist den armen Familien frühzeitig wirkliche Hilfe durch die Kinder- und Jugendhilfe zu gewähren. Gerade Familien in Belastungs- und Krisensituationen benötigen niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote. Kinder sind unsere Zukunft. Dies muss auch für Kinder aus armen und benachteiligten Familien gelten. Sonst sind wir alle mitverantwortlich, wenn gesagt werden muss „Pech gehabt, einfach in die falsche Familie hineingeboren“, wie es ein Hamburger Sozialarbeiter formulierte (Hamburger Abendblatt vom 20.5.2017). Das Ziel einer „Armutsstrategie“ muss es ein, Handlungsspielräume für Kinder als Ermöglichungsräume für gesellschaftliche Teilhabe zu entwickeln und Ausgrenzungen vorzubeugen. Die zentrale Aufgabe für die Gestaltung von Lebensbedingungen für Kinder lautet in diesem Sinne:  Die materiellen und sozialen Bedingungen der Daseinsvorsorge für Kinder sind so zu gestalten, dass individuelle und gesellschaftliche Benachteiligungen nicht relevant werden.

  • BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.): Lebenslagen in Deutschland. Berlin 2017
  • Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Hg. Bundeszentrale für politische Bildung u.a. Bonn 2016
  • Der Paritätische Gesamtverband (Hg.): Menschenwürde ist Menschenrecht. Berlin 2017

Ullrich Gintzel und Ulrich Klemm

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